Exzellenz, sehr geehrtes Publikum und liebe Freunde der Freiheit!
„Das unfassbare Schicksal des armenischen Volkes dem Totenreich alles Geschehenen zu entreißen“, war das Ziel des Schriftstellers Franz Werfel, als er auf einer Orientreise den Entschluss fasste, den historischen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ zu verfassen. In Damaskus war er Überlebenden begegnet, die dort Aufnahme gefunden hatten. Akten, angefordert aus dem französischen Kriegsministerium sowie Aufzeichnungen des Theologen Johannes Lepsius, aufgefunden in der berühmten Bibliothek des Mechitaristen-Klosters in Wien, verliehen dem Bestseller ein besonders Maß an Authentizität. Es galt lange Zeit als das wichtigste Werk zum Völkermord an den Armeniern, das diese eben nicht nur als Opfer darstellte, sondern die Bewohner von sechs Dörfern in das Zentrum der Erzählung stellt, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nahmen und sich Truppen der Jungtürken entgegenstellten.
Wieder ist es ausgezeichnete österreichische Gelehrsamkeit, die das Schicksal und vor allem das Erbe verfolgter Armenier dem Vergessen entreißt, die wir hier und heute ehren wollen, und wieder können wir von Armeniern erfahren, die nicht bereit sind, sich durch die jüngste genozidale Aggression vom September 2023 gegen Arzach/Bergkarabach, geschlagen zu geben.
So sind wir hier heute zusammengekommen, um die Armenologin Jasmine Dum-Tragut für ihren beispiellosen Einsatz bei der Erforschung der armenisch-christlichen Traditionen Bergkarabachs zu ehren. Das armenische Kulturerbe ist dort bedroht, nachdem aserbaidschanisches Militär durch eine zehn Monate andauernde Blockade und den Angriff am 19. September 2023 die armenische Bevölkerung – mehr als 100.000 Menschen – aus Bergkarabach vertrieb. Es geht um ethnische, machtpolitische und territoriale Interessen in dem Konflikt. Die Auslöschung des christlichen Kulturerbes jedoch zeigt Wirkung hinsichtlich der Freiheit der Religionsausübung, wenn die Bevölkerung von traditionellen Gebets- und Pilgerstätten, von den Wurzeln und Traditionen ihres Glaubens abgeschnitten wird. Wir können als Stiftung, die sich des Einsatzes verfolgter christlicher Individuen und Volksgruppen verschrieben hat, nicht schweigend zusehen, wenn einer christlichen Bevölkerung so massiv ihre Rechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum, Freizügigkeit und auf die Heimat beschnitten werden.
Der Menschenrechtsverteidiger und Politikwissenschaftler Gegham Stepanyan wurde am 25. März 2021 von der Nationalversammlung Arzachs in die Position des Ombudsmanns für Menschenrechte von Arzach gewählt. Er war schon während des Kriegs 2020 für seinen Vorgänger in diesem Amt tätig, erlebte demnach die letzten vier kritischen Jahre Arzachs vor der September-Katastrophe. Seine Berichte und die seiner Vorgänger haben die Weltöffentlichkeit wenigstens für kurze Zeit wachgerüttelt und über schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgeklärt. Wir wollen zusammen erreichen, dass die Welt sich wieder dem Leid der Bergkarabach-Armenier zuwendet und dass Aserbaidschan für die Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird. Unsere weiteren Forderungen: Die Freilassung von Repräsentanten Arzachs, die seit September 2023 festgehalten werden sowie derjenigen, die 2020 in Kriegsgefangenschaft gerieten, zudem der Schutz des christlichen kulturellen und religiösen Erbes, das von der Auslöschung durch Aserbaidschan bedroht ist. Letztlich fordern wir die Rückkehr der durch die Aggressionen Vertriebenen. Gegham Stepanyan ist für uns DER Zeuge. Unermüdlich setzt er auch im Exil seinen Einsatz für Menschenrechte unermüdlich.
Die Sonderpreisträgerin 2024 und der Sonderpreisträger zeichnen sich darüber hinaus angesichts aggressiver Propaganda aus Aserbaidschan und der Türkei durch beeindruckende Unbeirrbarkeit aus. Zu dieser Überzeugung kam der Stiftungsvorstand bei seiner Beratung über die Nominierung.
Aufgrund massiven Drucks und Drohungen der aserbaidschanischen Botschaft und aserbaidschanischer Organisationen wurde kürzlich ein wissenschaftliches Symposium zur Präsentation einer Anthologie vor Ort abgesagt und ausschließlich digital durchgeführt. Zusammen mit der IGFM verurteilt die Stephanus-Stiftung die mit Einschüchterung und Drohungen begleitete politische Einflussnahme auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Deutschland.
Wir freuen uns außerordentlich, dass wir in diesem Jahr erstmals einen Preis in die Kaukasus-Region vergeben können. Unsere Stephanus-Stiftung fördert bislang Projekte zur Hilfe bedrängter Christen in Nahost, Südasien und Afrika.
Die Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen wurde 2006 von einem engagierten Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Dr. Wolfgang Link aus dem Schwarzwald, gegründet. Er ist vor ziemlich genau einem Jahr verstorben. Vor einigen Monaten folgte ihm eine gute Freundin der Stiftung, Dr. Renate Seyrich. Ich bitte Sie nun, sich im Gedenken an unsere verstorbenen Förderer und Freunde sowie die Opfer, die im vergangenen Jahr ihr Leben verloren, weil sie Christen sind, zu einem Moment der Totenehrung schweigend zu erheben.
….
Ich danke und übergebe nun das Wort an unsere Moderatorin Gabi Fröhlich, bekannt aus Radio Horeb.