Pfarrpriester Jacques Hamel – ermordet Juli 2016 in Nordfrankreich

Jul 3, 2023 | Märtyrer des Monats, Meldungen

Märtyrer des Monats Juli 2023

Vorahnung in Albträumen

Regelmäßig wiederkehrende Albträume plagten den französischen Ruhestandspfarrer Jacques Hamel, der sonst normalerweise wohl den Schlaf des Gerechten schlief: Der 85-Jährige sah im Traum, wie er die kleine Kirche in St.-Étienne-du-Rouvray nahe der Großstadt Rouen verließ, in der er noch zur Unterstützung diente. Er machte sich auf den Weg durch die Stadt nach Hause. Die Straßen waren menschenleer. Plötzlich tauchte eine Gruppe von Fremden auf, überfiel und schlug ihn. Er schaute sich nach Hilfe um, aber niemand war da.

Monate vor seiner Ermordung vertraute der betagte Priester diesen Albtraum seiner Schwester Roselyn an. Sie maß den Träumen damals keine besondere Bedeutung bei, weshalb sie scherzend antwortete: „Ich bin diejenige, die die Albträume hat. Du hast sie mir gestohlen!“ Jacques Hamel erzählte seiner Schwester auch oft von seiner Bewunderung für Pater Charles de Foucauld. Der große Märtyrer wurde 1916 in der Wüste von Tamanrasset in Algerien ermordet. Der Einsiedler lebte unter den Tuareg und war für seine Nächstenliebe, seine Sanftmut und seine besondere Spiritualität bekannt.

Jacques Hamel, der sonst kein Kinogänger war, besuchte zudem eine Vorführung des Films „Von Göttern und Menschen“, der von den Mönchen im ebenfalls algerischen Tibhirine handelt, die 1996 ein ähnliches Schicksal durch islamistische Fanatiker erlitten. Auch seine Eindrücke von dem Kinobesuch teilte er mit seiner Schwester. „Wie ist es möglich“, fragte er sie, „dass diese Männer mit solch bösartiger Gewalt gegen diese Männer vorgehen konnten, die in ihrer Gemeinschaft gelebt und nichts anderes getan hatten, als den Armen zu dienen, die Hungrigen zu speisen und die Kranken zu versorgen? Liegt es daran, dass der Teufel in ihre Herzen und Köpfe eingedrungen ist und sie gefühllos gegenüber jeglicher Nächstenliebe und jeglichem Mitgefühl geworden sind?“ (Zitiert nach Nicholas Zinos in „America-The Jesuit Review“, Juli 2018)

Der Anschlag vom 26. Juli 2016

Der Morgen des 26. Juli 2016, der Tag seines Martyriums, begann wie jeder andere. Pater Hamel wachte wie gewöhnlich um sieben Uhr auf, sprach das Gebet, in dem er den Schutz des Erzengels Michael anrief und las aus seinem Brevier. Dann ging er zur Bäckerei, um Brot für sein Frühstück zu kaufen. Gegen 8.30 Uhr verließ er das Pfarrhaus und ging zu der etwa 400 Meter entfernten Kirche Sankt Stephan, in der er um neun Uhr die Heilige Messe feiern sollte.
(Nach Nicolas Zinos, a.a.O.)

Nur fünf Gottesdienstbesucher waren anwesend: Ein älteres Ehepaar, ein weiterer Gläubiger sowie zwei Barmherzige Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul. Während des Bittgebets stürmten zwei junge Männer herein. Sie zwangen den 87-jährigen Ehemann, das folgende Geschehen zu filmen. Daraufhin hielten die beiden 19-Jährigen eine kurze Ansprache, schlugen Pfarrer Hamel nieder und schnitten ihm die Kehle durch. Sie verletzten auch den Ehemann schwer, der aber überlebte.

Einer der Täter, die beide von der Terrororganisation Islamischer Staat inspiriert waren, Adel Kermiche, war bereits polizeibekannt. Als er und sein Komplize, Abdel Malik Petitjean, sich mit einem Messer auf den Priester stürzten, rief Pfarrer Hamel: „Va t’en Satan!“ („Geh weg, Satan!“). Der Priester sah in diesem abscheulichen Angriff nicht nur das Werk fanatischer junger Männer, sondern auch das Wirken des „Vaters der Lüge“. Die beiden Attentäter wurden von den herbeigerufenen Sicherheitskräften beim Verlassen der Kirche erschossen.

Lebenslauf und Charakterzüge Jacques Hamels

Jacques Hamel kam am 30. November 1930 in Darnétal in der Normandie zur Welt. Schon als Junge zeigte sich bei ihm der Wunsch zum geistlichen Stand. Er empfing am 30. Juni 1958 die Priesterweihe. Der junge Hamel fühlte sich zur Gemeinschaft der Afrikamissionare hingezogen, die wegen ihrer Gewänder als „Weiße Väter“ bekannt sind. Aber man sagte ihm, dass dies aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands nicht in Frage käme. Stattdessen wurde er Pfarrer in der Erzdiözese Rouen und diente treu in verschiedenen Gemeinden mehrere Jahrzehnte lang. Seit 2005 war er Subsidiar (Aushilfspfarrer) in Saint-Étienne-du-Rouvray, wo er schon seit dem Jahr 2000 als Pfarrer tätig gewesen war.

Jaques Hamel war für sein gutes Gedächtnis, seine Diskretion und sein Mitgefühl bekannt. Wenn Seelen in Not zu ihm kamen, versuchte er, ihre Wunden zu heilen, ohne zu verurteilen. Er bemühte sich, denjenigen zu helfen, die am Rande der Gesellschaft standen. Seine Schwester sagte, dass sie ihn seit seinem siebten Lebensjahr nie mehr über etwas klagen hörte. Er genoss einen tiefen inneren Frieden, in dem andere Menschen Zuflucht fanden.

Zudem war er im interreligiösen Dialog, besonders mit Muslimen, engagiert. Die katholische Kirche schenkte den Muslimen das Grundstück, auf dem sie ihre Moschee errichteten. Mohammed Karabila, Vorsitzender des regionalen Rats der Muslime, kannte Hamel von regelmäßigen Treffen der Religionsvertreter. Er habe ihn als „Mann des Friedens, der Religion, einen charismatischen Mann“ erlebt, sagte er gegenüber der französischen Tageszeitung „Le Figaro“. Der Tod seines Freundes machte Karabila fassungslos: „Ich kann es nicht begreifen. Wir beten für die Familie und die katholische Gemeinde.“

Beerdigung und Würdigung von Papst Franziskus als Märtyrer

Am 2. August 2016 fand in der Kathedrale von Rouen vor mehr als 2.000 Menschen und in Anwesenheit hoher geistlicher Würdenträger verschiedener Religionen sowie des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve eine Trauerfeier für Hamel statt. Am 14. September 2016 feierte Papst Franziskus in seiner Residenz Santa Marta eine Messe für Jacques Hamel im Beisein von Familienangehörigen sowie dem Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun. Hierbei rief der Papst alle Religionsgemeinschaften dazu auf, sich von Gewalt zu distanzieren: „Wie sehr wünschte ich, dass alle religiösen Konfessionen klar aussprechen würden: Im Namen Gottes zu töten ist satanisch!“

Franziskus schlug den Bogen von Jesu Opfer am Kreuz über die Blutzeugen der frühen Kirche bis zu den Märtyrern von heute. Die Geschichte der Morde aus Glaubenshass wiederhole sich andauernd und sei aktuell noch brutaler als zu Zeiten der alten Kirche. „Damit kommen wir im Rahmen dieser Geschichte zu unserem Père Jacques: Er gehört zu dieser Kette der Märtyrer. Christen leiden heute im Gefängnis, durch Folter oder durch Mord, weil sie Jesus Christus nicht verleugnen, und das lässt uns wirklich die Grausamkeit dieser Verfolgung ermessen.“

Seligsprechungsverfahren

Am 2. Oktober 2016 genehmigte Papst Franziskus die Einleitung der Seligsprechung ohne die übliche Wartezeit von fünf Jahren nach dem Tod der betreffenden Person. Anfang März 2019 wurde der diözesane Untersuchungsprozess abgeschlossen und die Unterlagen nach Rom weitergeleitet. Dort erstellt die Heiligsprechungskongregation einen Bericht für den Papst, dem letztendlich die Entscheidung über die Seligsprechung obliegt. Kirche und Grabstätte von Jacques Hamel in St.-Étienne-du-Rouvray sind inzwischen zu einer Wallfahrtsstätte geworden. Erste Wunderberichte von Pilgern werden kirchlich untersucht.

Im Jahr 2022 Verurteilung von Hintermännern

Im März 2022 fand in Paris ein Gerichtsprozess gegen vier Männer statt, die in Verbindung mit dem Mord an Jacques Hamel der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Mitwisserschaft angeklagt waren. Drei von ihnen wurden zu langjährigen Haftstrafen zwischen acht und 13 Jahren verurteilt. Sie zeigten Reue. Während des Prozesses soll eine „spirituelle Atmosphäre“ geherrscht haben. Die Ordensfrau, die damals die Polizei verständigt hatte, versicherte ihr Gebet für die überlebenden Mittäter. Ein vierter Mann, ein bekannter Rekrutierer des Islamischen Staates, wurde in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Später hieß es, dass er in Syrien oder im Irak umgekommen sein soll.

Walter Flick

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