Märtyrer des Monats August 2025
Am 3. August vor 80 Jahren verstarb der NS-Verfolgte Kurt Mathias von Leers
Seit Sommer 2024 glänzen zwei neue „Stolpersteine“ vor der Jesuitenhochschule im Frankfurter Stadtteil Oberrad und spornen die Passanten zum Gedenken an zwei mutige katholische NS-Gegner an: den ehemaligen Jesuiten-Professor, Spiritual und KZ-Dachau-Überlebenden Pater Kurt Dehne SJ und den mit ihm im November 1942 inhaftierten Theologiestudenten Kurt Mathias von Leers. Der zweite Name ist weniger bekannt und daher ist der Philosoph-Theologischen Hochschule Sankt Georgen besonders zu danken, dass sie auf Anregung von Elmar Lübbers-Paal die Verlegung gefördert hat.
Dem „Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ sowie in der von Helmut Moll verfassten Schrift „Zeugen des Nordens“ ist zu entnehmen, dass von Leers am 22. Juli 1912 als jüngster Sohn von Kurt von Leers und seiner Frau Elisabeth Ida Auguste geboren wurde. Die wohlhabende, evangelische Gutsbesitzerfamilie aus Mecklenburg wurde Ende des 18. Jahrhunderts geadelt. Zum Zeitpunkt seiner Geburt befand sie sich in Geudertheim bei Straßburg. Kurt wuchs schließlich bei Verwandten in Nordwest-Mecklenburg auf dem Gut Schimm auf, nachdem er bereits als kleiner Junge während des Ersten Weltkriegs seinen Vater verloren hatte. Bereits als Minderjähriger wandte sich von Leers dem Katholizismus zu: Im Jahr 1930, im Alter von erst 18 Jahren, trat er in Rostock der katholischen Kirche bei und nannte sich „vermutlich seit der Firmung“ mit zweitem Namen Mathias. Seinen Glauben lebte er aktiv in der katholischen Jugend, deren Präfekt im örtlichen Dekanat er zeitweise war.
Schließlich erkannte er seine Berufung zum priesterlichen Dienst. Im Jahr 1938 begann von Leers sein Studium der Katholischen Theologie im westfälischen Münster. Im Jahr darauf wechselte er nach Frankfurt, wo er fortan an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen studierte. Bereits im Frühjahr 1940 wurde diese Phase erstmals durch die Einberufung zur Wehrmacht unterbrochen: Schon nach einem halben Jahr wurde er aus gesundheitlichen Gründen wieder entlassen. In der biographischen Literatur ist von einer Tuberkulose als vermutlicher Diagnose zu lesen.
Das war wohl der Hintergrund, vor dem sich ab November 1942 sein Martyrium vollzog, das mit der damaligen Verhaftung durch die Gestapo begann. Die Nationalsozialisten warfen ihm „staatsfeindliche“ Äußerungen vor. Unter der Folter kam es erstmals zu einer Situation, in der er seine Treue zu Christus deutlich unter Beweis stellen konnte: Sie versuchten, ihn zu Aussagen zu bewegen, die die Leitung des Priesterseminars belasten sollten. Ob er sich selbst vor weiterer Peinigung hätte retten können, ist im Nachhinein zwar fraglich, aber er ließ sich vor vornherein auf keinen Handel mit den Nazis ein. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Am 19. Februar 1943 kam er ins Konzentrationslager Dachau. Erst in einem gesundheitlich höchst kritischen Zustand kam von Leers im Oktober 1943 aus Dachau frei, wo er die letzten Wochen im Lagerlazarett zubrachte, und wurde dann gleich in ein Lungensanatorium im Schwarzwald nach Todtmoos eingeliefert. Der Aufenthalt dort führte nicht mehr die Wende seines Schicksals herbei, denn es brach auch noch eine Knochentuberkulose bei ihm aus. Ein Bein musste dem jungen Priesteramtskandidaten amputiert werden: Sein Leidensweg zog sich dort noch bis zum 3. August 1945 hin, als er infolge von Haft, Folter und mangels rechtzeitiger und angemessener medizinischer Versorgung verstarb.
Am Zeugnis vom Leben und Sterben des Kurt Mathias von Leers zeigt sich besonders deutlich, wie Märtyrer eben nicht nur Opfer sind, sondern Subjekt auf dem letzten Weg bleiben – durch die bewusste Annahme tödlicher Konsequenzen, die aus ihrer Treue zum Glauben an den Auferstandenen resultieren. So ist aus der Zeit von Leers‘ Gefangenschaft im KZ überliefert, dass er ein weiteres diabolisches Angebot der Nazis ausschlug: Er sollte sein Ziel, Priester zu werden, aufgeben. Und nicht nur dies: Auch solle er seinem katholischen Glauben abschwören. Trotz seines dramatischen Zustands schlug er auch dies aus.
Sein eigener Bruder trug dies an ihn heran, der selbst ein Nationalsozialist war, dabei sogar von besonderem Eifer und Ablehnung des Christentums getragen: Bereits im August 1929, ein Jahr, bevor sein zehn Jahre jüngerer Bruder katholisch wurde, trat Johann von Leers der NSDAP bei. Bald wurde er enger Mitarbeiter von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels und verfasste 1932 eine von dessen Anhängern propagierte Biografie über Adolf Hitler. Er hing der durch völkisches Gedankengut gekennzeichneten Deutschen Glaubensbewegung an, zu deren Führung er zeitweise gehörte.
Zudem pflegte er bereits seit 1933 Kontakt zu arabischen Studenten in Berlin, die mit dem damaligen Palästinenserführer und Großmufti Amin El Husseini in Verbindung standen. Bereits 1936 stand von Leers direkt mit ihm in Verbindung, der sein geistiger Mentor werden sollte. Im Jahr 1942 verfasste Johann von Leers die Schrift „Judentum und Islam als Gegensätze“. Im Rahmen des Projekts „Koranstellen, die sich auf den Führer beziehen sollen“, leistete er seinen Beitrag zur NS-Propaganda im Orient, deren Nachwirkungen bis in die aktuelle Zeit – etwa im iranischen Khomeinismus – nachweisbar sind. Nach dem Ende der NS-Herrschaft trat er schließlich förmlich zum Islam über und nannte sich von da an Omar Amin von Leers. Der Antisemitismus sollte bis zu seinem Tod im Jahr 1965 in Kairo der Stachel sein, der seine geistige Prägung und sein daraus folgendes Handeln bestimmte und ihm einen Platz an der Seite von Mächtigen sicherte.
Sein Bruder Kurt Mathias verzichtete auf all das und gab sogar sein Leben hin als Zeugnis für Christus. In Anlehnung an das berühmte Wort des Kirchenschriftstellers Tertullian lässt sich hoffen, dass sein Blut nun Samen für seine Kirche werde und sein Zeugnis mit zunehmender Bekanntheit strahlen möge.
Michaela Koller