Märtyrer des Monats Juni 2025
Vor 15 Jahren wurde Bischof Luigi Padovese in der Türkei grausam ermordet
Der Apostolische Vikar von Anatolien, Bischof Luigi Padovese, wollte den Papstbesuch auf Zypern nicht versäumen und hatte schon die notwendigen Reisevorkehrungen getroffen. Auch ein Interview mit der Verfasserin war für den 4. Juni 2010 geplant. Papst Benedikts XVI. flog Anfang Juni 2010 zur Pastoralreise auf die Mittelmeerinsel, wo er das vorbereitende Arbeitspapier (Instrumentum Laboris) zur Nahostsynode den Bischöfen der Region vorstellte. Doch tragischerweise konnte Padovese, Vorsitzender der türkischen Bischofskonferenz, das Ereignis nicht mehr erleben: Am 3. Juni 2010 fiel der italienische Kapuziner einer grausamen Bluttat vor seinem Haus im türkischen Iskenderun zum Opfer.
Eine Autopsie ergab, dass der Leichnam überall Stichwunden aufwies, darunter allein acht Stiche im Herzen. Darüber hinaus wurde der Apostolische Vikar von Anatolien fast vollständig geköpft. Polizeiliche Ermittlungen ergaben zudem, dass der Bischof zunächst in seinem Haus mit Messerstichen attackiert wurde. Um Hilfe rufend schleppte er sich vor die Tür. Dort verletzte ihn der Täter tödlich.
Zeugenaussagen offenbarten später, dass der Mörder, Padoveses Fahrer Murat Altun, nach der Tat laut eine islamische Dankformel gerufen habe. „Ich habe den großen Satan getötet – Allah Akbar“, habe Altun demnach verkündet. Türkischen Medienberichten zufolge habe der Tatverdächtige später gegenüber der Polizei gesagt, er sei einer göttlichen Eingebung gefolgt.
Luigi Padovese wurde am 31. März 1947 im Mailand geboren und trat 1965 der Ordensgemeinschaft der Kapuziner bei. Er legte 1968 seine Profess ab und empfing am 16. Juni 1973 die Priesterweihe. Er studierte Theologie an der Päpstlichen Universität Antonianum und darauf aufbauend die Schriften aus der Zeit der Kirchenväter sowie Religionsgeschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana, wo er – nach Studienjahren an der Universität in Würzburg – 1978 promovierte. Er lehrte lange Jahre als Professor Patristik und war seit 1990 Präsident des Franziskanischen Instituts für Spiritualität. Seit 2004 war er Apostolischer Vikar von Anatolien und seit 2008 Vorsitzender der türkischen Bischofskonferenz.
Das menschliche und priesterliche Zeugnis Padoveses berührte Gläubige wie auch Nicht-Gläubige. Dies bestätigte Pfarrer Walter Ries von der Pfarrei im fränkischen Stegaurach, wo Padovese drei Jahrzehnte alljährlich im Sommer als Urlaubsvertretung eingesetzt war. Ries sagte damals gegenüber der Verfasserin: „Auch Leute, die nichts mit der Kirche zu tun haben, waren von seiner freundlichen Art beeindruckt“. Durch „Herzlichkeit, Wärme und Väterlichkeit“ sei der ermordete Vorsitzende der türkischen Bischofskonferenz aufgefallen. „Er hatte die Gabe, durch seine Ausstrahlung sehr viele Menschen zu versammeln“, erinnerte sich der Pfarrer.
Seit seiner Bischofsweihe sei zwar keine Urlaubsvertretung mehr möglich gewesen, aber zwei bis drei Mal im Jahr sei der italienische Bischof aus der Türkei trotzdem zu Besuch gekommen. Seit den siebziger Jahren beherrschte er fließend Deutsch.
Nicht nur wegen seiner sprachlichen und seelsorgerlichen Qualitäten schätzten die Stegauracher ihren „Padre Luigi“. „Er war auch ein guter Musiker“, erinnert sich Pfarrer Ries. Luigi Padovese gab öfters Konzerte, bei denen er seine Begabung als Tenor unter Beweis stellte. Pfarrer Ries wusste im Gespräch zu berichten, dass Padovese nach der Schulzeit auch sehr gerne Musik studiert hätte. Es setzte sich freilich bei ihm seine Berufung zum Priestertum durch.
Bischof Luigi Padovese gehörte zu den meist bedrohten Geistlichen in der Türkei, dennoch wurde er seit Herbst 2009 nicht mehr vom Personenschutz begleitet. Die Sicherheitssituation des Vorsitzenden der türkischen Bischofskonferenz schätzten Beobachter nicht allein wegen der Ermordung seines Diözesanpriesters Andrea Santoro am 5. Februar 2006 als prekär ein. In einem Interview vom 23. November 2006 berichtete Bischof Padovese gleich von einer Reihe von Angriffen, auch auf ihn selbst: „Ein weiterer Priester wurde verletzt, einer geschlagen und einige wurden bedroht. Nach dem Mord an Don Andrea bekam ich Polizeischutz, zwei Monate lang. Wir dachten, das sei danach nicht mehr nötig. Schließlich haben Unbekannte versucht, mich mit einem Motorrad umzufahren. Seit diesem Vorfall stehe ich wieder unter Polizeischutz und verzichte auf mein morgendliches Jogging.“
Padovese erwies sich als Mann klarer Worte: Er hatte sich nach der Bluttat an Pfarrer Santoro schriftlich an die türkischen Behörden gewandt und um zügige Aufklärung gebeten. In einem Antwortschreiben hieß es, dass den Behörden nicht bekannt sei, dass es einen katholischen Bischof in der Türkei gebe – ein deutlicher Hinweis auf den fehlenden Rechtsstatus seiner Kirche.
Luigi Padovese wurde aber nie müde, für die Christen in der Türkei Gleichberechtigung einzufordern. So tat er dies auch noch anlässlich eines Vortrags in Frankfurt wenige Monate vor seiner Ermordung am 19. März 2010. Damals kritisierte er, dass die türkische Regierung zwei unterschiedliche Maßstäbe im Verhältnis zum Islam anlege. Sie verweigere den Christen im eigenen Land gleiche Rechte, fordere sie aber für Muslime im Ausland und benutze sehr gerne und häufig den Vorwurf der Intoleranz.
Bei der offiziellen Trauerfeier am 14. Juni 2010 im Mailänder Dom versammelten sich 40 Bischöfe an seinem Sarg. Das Gotteshaus war bis auf den sprichwörtlich letzten Platz gefüllt. Kardinal Dionigi Tettamanzi, Erzbischof von Mailand, sagte in seiner Predigt: „In der Existenz unseres Bruders und Paters hat sich das Wort Jesu verwirklicht, der den Sieg seines österlichen Geheimnisses mit dem Samenkorn verglich, das stirbt und so viele Früchte trägt: ‚Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es reiche Frucht‘.“
Mit seinen Mitbrüdern im Bischofsamt kniend, bat er anschließend in der Allerheiligenlitanei um Fürsprache für Bischof Luigi Padovese. Durch die Weite des gotischen Domes hallte eine klare Tenorstimme: „San Protaso – Intercedi per lui. San Gervaso – Intercedi per lui.“ Neben den Mailänder Märtyrern Gervasius und Protasius wurden der heilige Mailänder Bischof Ambrosius als Schutzpatron und der heilige Mailänder Kardinal Karl Borromäus angerufen.
„Was genau soll man von einem Missionar und Bischof erzählen, der am Hochfest Fronleichnam getötet worden ist“, fragte Erzbischof Ruggero Franceschini in seiner Ansprache zum Schluss. „Kann man über etwas anderes sprechen als einen gebrochenen Leib und das vergossene Blut“, fragte Franceschini. Langer, kräftiger Applaus der Gläubigen bestätigten seine Worte.
In der Basilika von San Bartolomeo all’Isola in Rom, die die Gemeinschaft Sant’Egidio betreut, wird in der Ausstellung über die neuen Märtyrer auch Bischof Padoveses gedacht. Ebenso sind ihm ein Pfarrheim sowie ein Platz im fränkischen Stegaurach gewidmet.
Michaela Koller