Ipsi cura est – In ihm ist Heil

Vortrag von Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, emeritierter Bischof von Hongkong

April 2018 in der Frankfurter Deutschordenskirche

 

Ich bin sehr glücklich, heute hier sein zu können, Ihnen die vielen Freuden in meinem Leben mitteilen zu können, aber auch die vielen Sorgen, die ich habe. Wie Sie wissen, bin in Shanghai geboren und mein Vater war ein frommer Katholik, der mich jeden Tag zur Kirche mitnahm. Es kam dann zum Krieg mit den Japanern, die Shanghai eingenommen haben. Mein Vater verlor seinen Arbeitsplatz und wurde auch noch krank, sogar gelähmt und so konnte er sich nicht mehr um mich kümmern. Aber glücklicherweise fand ich meinen Weg zu den Salesianern. Meine Mutter brachte mich zu ihnen und mein Vater sagte, wenn ich nicht gut in der Schule sei, sollten sie mich zurückschicken. Das haben sie nicht getan. Mein Vater starb, bevor ich 16 Jahre alt war. In jenem Jahr bin ich von Schanghai nach Hongkong gezogen. Weil das Noviziat [Ordensvorbereitung; Anm. d. Red.] der Salesianer in Hongkong war, bin ich mit vielen anderen dorthin umgezogen. Wir waren 20 Novizen in jenem Jahr. Ich konnte studieren und dann auch an den Salesianer-Schulen unterrichten und schließlich sandten sie mich nach Italien.

Die Universität der Salesianer war eine wunderbare internationale Hochschule. Ich habe sechs Jahre in Turin studiert und drei Jahre in Rom. Dort war ich von 1961 bis 1964, genau in den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils. Meine Aufgabe bestand darin, dass ich in den Seminaren unterrichtete. In Hongkong existierte ein Studienhaus voll mit jungen Leuten, zu dem ich hinging. Das stand nicht nur den örtlichen Chinesen offen, sondern auch Vietnamesen, Thailändern und Studenten aus weiteren Ländern. Ich war sehr beschäftigt und sehr glücklich, weil ich diese jungen Menschen unterrichten und mit ihnen leben durfte.

In der Zwischenzeit war China für viele Jahre verschlossen. Aber Ende der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre öffnete sich China langsam. Ich dachte im Jahr 1984, nach 20 Jahren des Unterrichts, ich könne vielleicht hilfreich für die Seminare in China sein. Und nach vier Jahren des Wartens erhielt ich endlich die Erlaubnis, in einem Priesterseminar in Shanghai zu unterrichten. Das war im Jahr 1989. Sie erinnern sich gewiss an den Platz des Himmlischen Friedens [an das Massaker vom 4. Juni 1989 mit dem Ziel der Beendigung monatelanger Proteste der Demokratiebewegung; Anm. d. Red.]. Das war genau in jenem Jahr. Ich wurde herzlich willkommen geheißen. Sie behandelten mich sehr höflich. Es war ein Seminar der offiziellen Kirche, die von der Regierung kontrolliert wird. Das Seminar befindet sich zu Fuß eines Hügels und auf diesem Hügel ist das Heiligtum der Muttergottes von Sheshan, die dort als „Hilfe der Christen“ verehrt wird. Ich fing dort an und nach zwei bis drei Jahren konnte ich in vielen Seminaren in China unterrichten.

Während sie mich zwar gut behandelten, konnte ich sehen, wie sie mit unserer Kirche in China umgingen, sogar mit den Bischöfen der offiziellen Kirche. Ihnen wurde kein Respekt entgegen gebracht, vielmehr wurden sie wie Sklaven behandelt. Sie wurden am Nasenring durch die Manege geführt. Das war sehr traurig. Ich werde diese Erfahrung nie vergessen. Seither hat sich nichts geändert. Wenn wir nun über die Kirche in China sprechen, müssen wir wissen, dass sie von der kommunistischen Regierung kontrolliert wird. Lange Zeit war China verschlossen und es bestanden keine Verbindungen nach draußen. Als ich nach China kam, war es schon offener. So war meine Erfahrung auch für die gesamte Kirche nützlich. Früher dachten wir, dass die Untergrundkirche die Gute ist und die offizielle Kirche schlecht. Aber das ist nicht so einfach. Es gibt auch in der offiziellen Kirche viele gute Leute. Als wir darüber den Vatikan informierten, waren sie dort sehr froh. Damals war der Chef der Kongregation für die Evangelisierung der Völker Kardinal Tomko. Er kam aus der Tschechoslowakei, kannte daher die Kommunisten und hatte zudem langjährige Erfahrungen im Vatikan. Seine anfängliche Einstellung war sehr hart, aber er war sehr aufgeschlossen, all unsere Informationen zu erhalten.

Wie Sie wissen werden, berief die chinesische Regierung in diesen Jahren viele Bischöfe ohne kirchliche Erlaubnis und Kardinal Tomko erreichten viele Bitten, diese Bischöfe nachträglich zu erlauben. Der Papst erteilte ihm dann die Genehmigung, einige Nachforschungen anzustellen, mit dem Ziel, einigen dieser Bitten nachzukommen und diese Bischöfe nachträglich zu legitimieren. Sie waren gute Leute, gute Priester, jedoch hatten sie zum Teil akzeptiert, unerlaubt geweiht zu werden. Auch einige junge Bischöfe, die die Regierung berufen hatte, fragten den Heiligen Stuhl nachträglich um Erlaubnis. Das war sehr gut und jeder war sehr froh damit.

Aber die Regierung war nicht zufrieden und ab einem gewissen Zeitpunkt wollten die Kommunisten zeigen, dass sie die Chefs sind. Im Jahr 2000 wollten sie am 6. Januar zwölf Bischöfe ohne Erlaubnis weihen lassen, am selben Tag, als der Papst in Rom zwölf Bischöfe weihte. Das war wirklich ein Akt des Ungehorsams und eine große Provokation. Daraus wurde eine komplette Niederlage. Nur fünf Priester kamen, um sich weihen zu lassen. Sieben Kandidaten sind gar nicht erst erschienen. Sogar die Seminaristen des offiziellen internationalen Seminars weigerten sich, dort hinzugehen. Im selben Jahr fand die Heiligsprechung der chinesischen Märtyrer statt. Schon wieder wollte die Regierung etwas mit Druck durchsetzen. Alle Bischöfe der offiziellen Kirche wurden gefragt, einen Protestbrief an den Papst zu schreiben und sie haben alle offiziellen katholischen Bischöfe nach Peking gerufen, um sie zu zwingen, dieses Schreiben an den Papst zu unterzeichnen, worin sein Vorgehen angegriffen wurde. Sie sollten schreiben, dass unter denen, die der Papst zu Heiligen erklären wollte, auch Imperialisten – sprich Missionare – gewesen seien. Unglücklicherweise haben etliche dieses Schreiben unterzeichnet. Die Kirche besteht nun einmal aus Menschen und Kardinal Tomko wurde in diesem Jahr 75 Jahre alt. Er musste also seinen Rücktritt einreichen.

Leider war sein Nachfolger nicht gut: Ein sehr junger italienischer Kardinal, der niemals aus Italien herausgekommen war und daher keinerlei Erfahrungen hatte. Während der Dienstzeit von Kardinal Tomko hatten wir noch etliche geheime Treffen. Er hatte zwei Experten, die als Missionare in China gewesen waren, und nun mit ihm arbeiteten. Aber während der Zeit von Kardinal Sepe gab es keinerlei geheime Treffen und die Experten wurden entlassen. Als Papst Johannes Paul II. starb, wollte die chinesische Regierung eine Delegation zur Beisetzungszeremonie nach Rom entsenden. Aber der Präsident von Taiwan flog dorthin, weil er das Recht dazu hatte. Daher lehnte es Festlandchina ab, daran teilzunehmen. Aber der Vatikan behandelte die Delegation gut und so entwickelte sich eine Beziehung.

Papst Benedikt XVI. tauschte dann den Chef der Kongregation für die Evangelisierung der Völker aus. Er berief Kardinal Dias aus Indien. Er hatte viele Jahre im Staatssekretariat des Vatikans gearbeitet. Er war in mehreren Ländern Nuntius [Botschafter des Heiligen Stuhls; Anm. d. Red.] gewesen. Zu der Zeit war er Bischof von Bombay [Mumbai; Anm. d. Red.] gewesen, einer großen Diözese. Mit dieser guten Wahl war auch etwas Unglückliches verbunden: Er war ein großer Anhänger der Ostpolitik des bereits verstorbenen Kardinalstaatssekretärs Casaroli. Dias war davon überzeugt, dass er Kompromisse eingehen müsse, wenn er mit den Kommunisten verhandelt. Es gab zu der Zeit keine offiziellen Begegnungen zwischen China und dem Vatikan, jedoch inoffizielle. Derjenige, der zu den Verhandlungen entsandt wurde, war Monsignore Parolin. So kamen beide aus der Schule von Casaroli. Papst Benedikt ernannte schließlich Kardinal Filoni zum Chef der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Während dieser Jahre unternahm Papst Benedikt für China zwei gute Dinge: Das Erste war, dass er einen Brief an die Kirche in China schrieb, ein wunderbarer Brief, sehr klar in der Lehre der Kirche, aber auch sehr offen und sehr freundlich gegenüber der Regierung.

Unglücklicherweise wurde noch unter Kardinal Dias eine falsche Übersetzung ins Chinesische erstellt, nicht wirklich ein Fehler, sondern eine Manipulation. Papst Benedikt setzte eine Kommission ein, eine große Kommission, also mit allen Offiziellen im Staatssekretariat, der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Experten aus dem Vatikan wie den Chef der Glaubenskongregation, einige Kirchenrechtler und schließlich fünf Bischöfe aus Hongkong, Macau und Taiwan sowie mehr als zehn Experten von verschiedenen Gemeinschaften aus Hongkong und Taiwan. Leider konnte diese Kommission nicht gut arbeiten, weil Dias und Parolin dem Dogma der Ostpolitik folgten. Sie nahmen keine andere Meinung zur Kenntnis. Gegen Ende der Amtszeit von Papst Benedikt, bevor er zurücktrat, beendete er die Verhandlungen. Während der Zeit von Kardinal Tomko hatten wir geheime Treffen und diejenigen, die zu den inoffiziellen Treffen nach China gingen, informierten uns kontinuierlich. In der Zeit zeigte sich, dass Parolin lieber mit der Regierung verhandelte, als sich mit der Kommission zu beraten. Daher wussten wir nicht, warum Papst Benedikt alles beendet hatte. Wahrscheinlich war die Übereinkunft nicht gut. Vielleicht weigerte er sich, solch ein Abkommen zu unterzeichnen. Er entsandte Parolin nach Venezuela. Dann trat er ja zurück und nun haben wir Papst Franziskus. Er benötigte einen neuen Staatssekretär und rief Parolin aus Venezuela zurück. So wurde Parolin, der noch Monsignore war, als er für China zuständig war, zunächst Erzbischof in seiner Position als Nuntius in Caracas und stieg dann zum Kardinal auf. In all diesen Jahren verschlechterte sich die Situation der Kirche in China. Dabei ging es nicht nur um die Manipulation in dem Brief an die chinesische Kirche, der nach einem Jahr korrigiert wurde. Es gab auch eine fehlerhafte Interpretation, die erst zwei Jahre später korrigiert wurde. So sagte jemand, es solle keine Untergrundkirche mehr geben. Jeder solle hervortreten. Aber das stand gar nicht im Brief Papst Benedikts. Das war unglücklich, da dadurch enorme Verwirrung in der Kirche Chinas entstand. Dann haben einige Gläubige in der Untergrundkirche sich entschlossen, der offiziellen Kirche beizutreten. Jedoch ist dies keine gute Idee, weil es nach wie vor in der offiziellen Kirche heißt, sie wollten eine [von Rom; Anm. d. Red.] unabhängige Kirche. Ich muss sagen, dass es nach wie vor in der offiziellen Kirche gute Leute gab. Aber wegen der Ostpolitik sind ihr viele Opportunisten beigetreten. Sie sind auf der Seite der Regierung. Also haben beide Seiten unter der Verwirrung gelitten. Papst Franziskus kommt aus Südamerika, wo er Kommunisten kennt, die von der Militärdiktatur verfolgt wurden. Sie unterdrückten die armen Menschen und diejenigen, die den Armen halfen, waren dort die Kommunisten. Auch wenn sie keine Kommunisten waren, wie Jesuiten, die Mitbrüder des Pater Bergoglio waren, wurden sie dennoch als solche bezeichnet. Also glaube ich, dass der Papst natürlich einige Sympathien für Kommunisten hat. Wahrscheinlich hat er Bücher über die Situation der Kirche in China gelesen, aber er hat dort keinerlei Erfahrungen sammeln können. Die Kommunisten in China sind echte Diktatoren. Sie töteten hunderttausende Menschen und die Kirche erhielt viele Märtyrer. Von Anfang an wurden diejenigen, die der Kirche gegenüber gehorsam waren, ins Gefängnis gesteckt und viele starben dort. Selbst diejenigen, die der Regierung gehorchten, litten erheblich in der Zeit der Kulturrevolution. Das weiß ich persönlich. Normalerweise müsste das auch Parolin wissen. Papst Franziskus hat ein großes Herz, er liebt alle Menschen. Also möchte er gerne nach China reisen und dort Freundschaft schließen. Nun hat er Parolin zum Staatssekretär ernannt. Aber ich befürchte, dass er dem Papst nicht über die Wirklichkeit der Kirche in China berichtet. Als Staatssekretär ist er der Vorsitzende der Kommission. Jedoch ist sie verschwunden, das heißt, dass sie nicht arbeitet. Zu Beginn sagten sie uns, dass es Anfang 2014 zu einem Treffen kommen sollte. Dann fiel dazu kein weiteres Wort mehr. Sie wollen uns wohl nicht zuhören.

Papst Benedikt hatte einen chinesischen Erzbischof als stellvertretenden Leiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker ernannt. Jetzt haben sie ihn nach Griechenland geschickt. Sie möchten auch ihn nicht anhören. Wir waren zwei Experten in der Kommission, aber uns schenkten sie kein Gehör, obwohl wir beide lange Erfahrungen in China gesammelt hatten. Ich lehrte sieben Jahre dort und auch Erzbischof Savio Hon unterrichtete in verschiedenen Seminaren Festlandchinas. Die Kommunisten haben ihre Methode geändert. Sie möchten nicht mehr so viele Menschen umbringen und sie stecken nicht mehr so viele ins Gefängnis, wobei aber immer noch viele eingesperrt sind. Es gibt einen Untergrundbischof, der seit mehr als 20 Jahren in ihren Händen ist. Aber wenn der Vatikan mit ihnen verhandelt, kann er nicht über diesen Bischof sprechen. Ein Priester starb auf sehr mysteriöse Weise. Die Regierung behauptet, dass er sich umbrachte. Das glaube ich nicht. Auch in Hongkong wissen wir, wie diese Leute die Menschen behandeln. In China streben einige nur nach Geld. So sind viele Dinge nur Fake, gefälschtes Essen, gefälschte Medizin, und die Schulen sind miserabel errichtet. Sobald es ein Erdbeben gibt, fallen die Gebäude zusammen. Es gibt Anwälte, die die armen Menschen verteidigen. Auch diese wurden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Vielfach versuchen die Kommunisten, sie dazu zu bringen, dass sie im Fernsehen auftreten und sich selbst bezichtigen, sie seien kriminell. Es geht ihnen also nicht nur darum, sie leiden zu lassen. Sie wollen sie auch noch zusätzlich demütigen. Wir in Hongkong sehen alle diese Dinge sehr klar. Hongkong hat einen Sonderstatus. Ihr Versprechen lautete: „Ein Land, zwei Systeme“. Aber unglücklicherweise werden wir allmählich so wie andere Städte in China. Wir nähern uns einer solchen Situation Schritt für Schritt. Der Papst wird wahrscheinlich nicht alles wissen. Viele Vertreter im Vatikan sind vielleicht einfach nur unwissend. Auf Parolin trifft dies nicht zu. Viele Jahre hindurch arbeiteten wir in der Kommission zusammen. Ich hatte eine hohe Meinung von der Person. Er ist so nett und redet so freundlich. Aber vor einem Jahr habe ich etwas sehr Abscheuliches gelesen. Er erinnerte an Casaroli, der die Ostpolitik gestaltet hatte. Er sagte, Casaroli hätte Wunder gewirkt [Großartiges geleistet; Anm. d. Red.]. Er hätte die kirchliche Hierarchie in diesen Ländern garantiert, was so viel heißt, dass der Vatikan Bischöfe ernennen konnte. Aber was denn für Bischöfe? Ich habe etwas über Ungarn gelesen. Es gibt da einen Experten, einen Theologen, der schrieb, dass die Macht des Papstes zwar förmlich anerkannt wurde, aber in Wirklichkeit die Macht in der Hand der Regierung lag. Dann hat er etwas Unglaubliches gesagt: ‚Wenn wir nach Bischöfen suchen, dann suchen wir nach Hirten. Wir suchen nicht nach Menschen, die wie Gladiatoren sind. Wir suchen nicht nach Menschen, die die Regierung systematisch bekämpfen. Wir wollen keine Menschen, die auf der politischen Bühne erscheinen.‘ Ich fragte ihn: ‚Entschuldigung, Eminenz, aber wen beschreiben Sie da? Meinen Sie Kardinal Wyszynski aus Polen, Kardinal Mindszenty aus Ungarn oder Kardinal Beran aus der Tschechoslowakei? Das waren doch alles Helden des Glaubens. Sie reden nun über sie, als hätten sie Unruhe gestiftet. Sie sollten um Entschuldigung bitten.‘ Er antwortete: „Wenn Ihnen meine Worte ungehörig erscheinen, so tut mir das leid.‘ Ich antwortete, er müsse sich nicht bei mir entschuldigen, sondern gegenüber diesen Glaubenshelden. ‚Sie sollten sich öffentlich entschuldigen.‘ Aber das tat er nicht. Nach sechs Monaten verwendete er dasselbe Material, um ein Buch vorzustellen. Er schrieb darüber im „L’Osservatore Romano“ [Zeitung des Vatikans; Anm. d. Red.], ließ aber diese Passagen aus. Aber die Tatsache, dass er auf diese Weise denkt, ist schrecklich. Nun ist er derjenige, der alles beim Heiligen Stuhl bestimmt. Er ließ die Kommission verschwinden. Er schickte Erzbischof Savio Hon fort. Er leitet die Verhandlungen mit China und wir können nichts dazu beitragen.

Ich habe einen guten Draht zu Papst Franziskus. Bei vielen Gelegenheiten sagte er etwas Wunderbares: Er preist die Märtyrer. Und in Korea während des asiatischen Jugendtags predigte er zu den Bischöfen Asiens. Es ging darin um Dialog. Er sagte, dass die erste Voraussetzung für Dialog sei, treu zu seiner Identität zu stehen. Die zweite Voraussetzung sei, offen zu sein und zuzuhören. Und er sagte, dass der Brief von Papst Benedikt an die Kirche in China immer noch Gültigkeit habe. Ich hatte bereits vor drei Jahren eine Dreiviertelstunde lang ein Gespräch mit ihm. Dabei hörte er mir genau zu und teilte meine Meinung. Aber derzeit bleibt alles für uns im Dunkeln. Jedoch haben wir immer noch die kleine Hoffnung, dass die Dinge nicht ganz so arg werden. Aus dem Vatikan heißt es nur, sie diskutierten nicht über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, sondern nur über Kirchenangelegenheiten. Der erste Punkt ist das Vorgehen, wie Bischöfe künftig erwählt werden. Sie sprechen davon, dass ein fertiges Projekt vorliege, aber es sei noch nichts unterzeichnet. Aus den wenigen Mosaikstücken an Informationen, die ich erhalten habe, schließe ich, dass es auf ein schlechtes Abkommen hinausläuft. Sie sagen, dass der erste Schritt eine demokratische Wahl sei. In China gibt es keine demokratischen Wahlen. Jegliche Wahlen sind manipuliert. Der zweite Punkt: Die Bischofskonferenz ernenne die Bischöfe. Aber es gibt keine Bischofskonferenz, sondern lediglich einen Zusammenschluss, der sich so nennt. Dann sagen sie, das letzte Wort habe der Papst. Das hört sich wundervoll an. Man merkt bei Punkt 1 und Punkt 2, dass es letztlich die Regierung ist, die die Bischöfe ernennt. Was hat der Papst also für ein letztes Wort? Kann er ‚ja‘ sagen? Das ist sehr schwierig. Die Regierung ernennt natürlich die Leute, die ihr gefallen und nicht gute Hirten für die Kirche. Vielleicht muss der Papst ‚nein‘ sagen. Aber wie oft kann er ‚nein‘ sagen? Das ist sehr peinlich. Daher bevorzuge ich die Variante, dass der Papst die Bischöfe ernennt und den Kommunisten dann das Vetorecht einräumt. Der Papst kann dann den Nächsten auswählen. Dann werden wir ja sehen, wie oft sie ‚nein‘ sagen können. Ein weiterer Punkt der Diskussion ist ein Kompromiss während der vergangenen Jahre: Der Vatikan nannte der Regierung einige Namen, die der Papst gerne ernennen würde. Das ist nicht der beste Weg, aber akzeptabel. Dann hoffen sie [in Rom; Anm. d. Red.], dass sie auch für die Regierung annehmbar sind. Manchmal akzeptierten sie. Warum? Weil sie nicht so viele illegitime Bischöfe [die nicht von Rom zugelassen wurden; Anm. d. Red.] haben wollen. Sie wollen keine exkommunizierten Bischöfe haben, weil die Menschen ihnen nicht folgen werden. Es gibt also Kompromisse, aber manchmal besteht die Regierung auf ihrem Vorschlag und der Vatikan kommt dem entgegen oder er sagt ‚nein‘. Also gibt es nach wie vor illegitime Bischöfe. Davon gibt es derzeit sieben. Drei davon sind exkommuniziert.

Ein weiterer Punkt in den Verhandlungen ist der, dass der Vatikan all diese sieben Bischöfe akzeptieren müsste. Wenn die exkommunizierten Bischöfe den Papst um Verzeihung bitten und sagen, dass sie ihren Ungehorsam bedauerten, kann er ihnen leicht vergeben. Aber wie kann es möglich sein, sie als Bischöfe zu akzeptieren? Zwei von drei exkommunizierten Bischöfen, das wissen alle, haben Frau und Kinder. Also: Wie können sie Bischöfe sein? Wie kann man auch die Leute zwingen, ihnen als Bischöfe zu folgen? Nun schweigen sie und arbeiten weiter. Sie sagen, zwei von sieben Bischöfen stellten kein Problem dar. Warum kein Problem? Weil es in den fünf Diözesen keinen Untergrundbischof gibt. Um die Regierung zu beschwichtigen, ernennt der Vatikan nur wenige Bischöfe für die Untergrundkirche. Wenn der alte Bischof stirbt, gibt es einfach keinen Nachfolger. Sie geben aber der offiziellen Kirche viele Bischöfe. So beträgt die Gesamtzahl der Bischöfe der offiziellen Kirche 70. In der Untergrundkirche aber gibt es nur 30 Bischöfe. Nun amtieren aber neben den sieben illegitimen Bischöfen noch in zwei Diözesen Bischöfe der Untergrundkirche. Jetzt bitten sie diese beiden Bischöfe, zurückzutreten, damit sie die Bischöfe der offiziellen Kirche als legitimen Bischof einsetzen können. Einer davon ist sogar exkommuniziert. Diese zwei Fälle waren allen bekannt. Aber das ganze Vorhaben ist ein Problem. Daher ist es gut, dass alles nun öffentlich ist, denn jetzt erheben viele Menschen ihre Stimme, und viele Menschen stellen Fragen.

Nun bin ich der Sünder, weil ich die Vertraulichkeit verletzt habe. Einer der Bischöfe bat mich, einen Brief an den Heiligen Vater weiterzuleiten. Aber ich war mir nicht sicher, ob ihn meine Briefe erreichen, da viele darunter nie beantwortet wurden. So dachte ich, um sicher zu gehen, dass er wirklich das Schreiben erhält, muss ich mich selbst aufmachen und den Brief in seine Hände geben. Also entschloss ich mich, ihm dieses Schreiben selbst zu überreichen. Davon erfuhren viele Leute, und es entstand einige Verwirrung über diese Information. Deshalb trat ich an die Öffentlichkeit und sagte die Wahrheit. Ich weiß, dass es gegen die Verpflichtung war, die Vertraulichkeit zu wahren. Der Papst teilte mir etwas in privater Konversation mit. Das brachte ich an die Öffentlichkeit. Aber ich dachte, dass es notwendig war. Warum? Weil ich durch dieses Gespräch erfuhr, dass der Papst anders denkt als die Leute im Vatikan.

Als Erzbischof Savio Hon dem Papst den Fall vorstellte, sagte er drei Dinge: ‚Erstens ist es nicht gut, diese Bischöfe zu bitten, zurückzutreten.‘ Zweitens: ‚Warum wurde ich nicht konsultiert?‘ Drittens: ‚Ich werde mir die Sache anschauen.‘ Also fragte ich den Heiligen Vater: ‚Konnten Sie sich mit der Angelegenheit befassen?‘ Er antwortete: ‚Ja. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten keinen weiteren Fall Mindszenty schaffen.‘ Kennen Sie [den ungarischen Kardinal; Anm. d. Red.] Mindszenty? Er wurde gezwungen, sein Land zu verlassen. Dann ernannten sie jemanden, der der [damals kommunistischen; Anm. d. Red.] Regierung gefiel. So war ich sehr froh, dass der Heilige Vater die Situation versteht. Wenn ich nichts sage, werden die Menschen in China denken, dass all die Irrtümer in den Entscheidungen direkt vom Heiligen Vater verantwortet wurden. Der Vatikan beschuldigte mich dann wegen dieser Angelegenheit. Ich denke, dass es sehr gut ist, dass jetzt viele Menschen das Problem kennen. Parolin und der Vatikan sagen, dass sie wüssten, dass die Übereinkunft nicht perfekt sei. Wir müssten immer noch im Vogelkäfig leben. Sie wollten jedoch versuchen, im Vogelkäfig Raum zu gewinnen. Aber es geht hier nicht darum, den Käfig zu vergrößern. Das Problem ist doch, was mit den 30 Bischöfen und den Priestern der Untergrundkirche geschehen wird. Sie werden sie in den Vogelkäfig stecken. Denn bis jetzt haben die Gläubigen in der Untergrundkirche noch immer etwas Freiheit. In manchen Provinzen wie in Hebei hat die Untergrundkirche sogar ihre eigenen Kirchen, manchmal sogar große Kirchen. Warum toleriert das die Regierung? Weil sie zahlreich sind, weil sie zusammenstehen. Es sind gute Bürger. Sie arbeiten hart. Also ignoriert es die Regierung einfach. In den Städten gibt es keinen Raum für die Untergrundkirche. Aber auch dort können die Untergrundpriester wenigstens für die Menschen die Heilige Messe feiern. In Shanghai gibt es so viele Priester der Untergrundkirche, die sonntags die Heilige Messe zelebrieren und viele Menschen gehen dahin. Alle Nachbarn wissen das. Keiner zeigt sie an. Warum? Weil die Regierung keine zusätzlichen Probleme haben möchte. Wie kann man auch die Menschen verhaften, wenn es gleich so viele sind?

Unglücklicherweise werden sich die Dinge jedoch ändern. Seit dem 1. Februar gibt es neue Bestimmungen in dieser Hinsicht. Eine Reihe davon sind nicht neu, aber sie werden nun verschärft. So haben einige Priester dort den Gläubigen gesagt: ‚Kommt nach dem 1. Februar nicht mehr, sonst wird es gefährlich.‘ Sie müssen wissen, dass die Kommunisten sich selbst Gesetz sind. Etwas, was gesetzlich erlaubt ist, wollen sie Dir nicht geben. Aber etwas, das gegen das Gesetz verstößt, können sie Dir trotzdem geben. Nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz erlaubten sie in Shanghai, Kinder zu taufen und Erstkommunion zu feiern. Genau damals bin ich nach Shanghai gegangen, um dort zu unterrichten. In diesem Jahr haben am Fest Christkönig etwa 300 bis 400 Kinder das erste Mal die heilige Kommunion empfangen. Jetzt nicht mehr. Nun steht an den Kirchentüren, dass Menschen unter 18 Jahren nicht gestattet ist, in die Kirche zu gehen. Das ist kein neues Gesetz. Dies gab es schon. Sie setzen es jetzt erst um. Nun hilft der Vatikan der Regierung, in dem er den Gläubigen sagt, sie sollen bitteschön in den Vogelkäfig gehen. Was wird nun passieren? Einige aus der Untergrundkirche werden sich der offiziellen Kirche anschließen, denn in der Untergrundkirche ist man immer in Gefahr. Und dann gibt es Gläubige, die es aus Gewissensgründen ablehnen, der offiziellen Kirche beizutreten. Jetzt sagt aber der Vatikan, dass dies in Ordnung wäre, so ermuntert er jeden, sich zu ergeben.

Es gab einen Bischof, der mit doppelter Genehmigung ernannt wurde. Aber er ließ sich schon heimlich weihen, bevor die Zustimmung der Regierung erfolgte, denn oftmals kamen schon illegitime Bischöfe zu einer Bischofsweihe, wenn diese offiziell angesetzt war. Nachdem er heimlich geweiht worden war, sagte die Regierung aber, sie erkenne ihn nicht mehr an. Sie verhafteten ihn und schlugen ihn zusammen. Nach einer gewissen Zeit erlaubten sie ihm nun doch, zu arbeiten. Nach zehn Jahren sagte die Regierung, sie erkenne ihn an, er müsse aber mit einem illegitimen Bischof zusammen die Messe feiern. Er bat den Vatikan um Rat und von dort hieß es: ‚Oh ja, das ist in Ordnung.‘ Seine Priester aber waren darüber sehr unglücklich. „Warum gehen Sie hin und akzeptieren das? Seit zehn Jahren stehen wir an Ihrer Seite. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Wir können so weitermachen. Warum kapitulieren Sie?“ Aber der Heilige Stuhl macht das überall so. Jetzt werden ihm wohl viele folgen und der Chinesischen Katholischen Patriotischen Vereinigung beitreten [der offiziell vom Staat anerkannten Kirche, Anm. d. Red.).

Papst Benedikt meinte, dass die Patriotische Vereinigung inakzeptabel ist. Also werden viele ihn [den Bischof; Anm. d. Red.] nicht akzeptieren. Ich befürchte, dass da einige sehr ärgerlich werden. Sie fühlen sich verraten. Seit so vielen Jahren schon wollten sie nur dem Papst treu sein. Jetzt sagt der Vatikan, sie sollten der Regierung folgen. Ich befürchte daher sehr stark, dass einige etwas Unvernünftiges tun werden. Ich sage ihnen: ‚Bitte, bitte, macht keine Revolution. Dann haben wir keine Kirche mehr.‘ Sie haben dann keine Sakramente mehr. Das ist dann eben so. Die Sakramente sind Geschenke Gottes, die es erleichtern sollen, dass wir die Gnade empfangen. Aber der Glaube ist noch wichtiger. Die Märtyrer sind seit vielen Jahren im Gefängnis. Sie haben keine Sakramente, jedoch sind sie voll der Gnade. Aber wenn man den Glauben verleugnet, bleibt einem nichts mehr. Ich sage ihnen: ‚Wenn Ihr die Kirche verliert, dann verliert Ihr die Sakramente. In Ordnung. Lebt in den Katakomben. Wartet auf die Zeit Gottes.‘ Daher ist diese Situation wirklich sehr gefährlich. So hoffe ich, dass die Bischöfe ihre Stimme erheben und den Heiligen Vater warnen, er möge vorsichtig sein. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass er die Übereinkunft nicht annehmen wird. Aber ich habe auch jedem gesagt, dass, in dem Fall, wenn der Papst die Vereinbarung akzeptieren wird, ich mich von dem Moment an ruhig verhalten werde. Ich bin Salesianer, ich bin ein Sohn Don Boscos, ich werde nicht gegen den Papst kämpfen.

Ich freue mich sehr darüber, dass ich hier die Gelegenheit hatte, über all das zu sprechen. Ich bitte Sie vor allem, sich über die Vorgänge zu informieren und dann zu Unserer Lieben Frau, zu Maria, der „Hilfe der Christen“ zu beten. Unsere Liebe Frau kann Wunder bewirken, das hat sie früher schon getan. Ich danke herzlich für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner